NFB/BFB - Wissenschaftlicher Hintergrund

1965 führe Maurice Barry Sterman ein klassisches Verhaltenstraining mit Katzen durch: Belohnung durch Futter beim Betätigen eines Hebels während kontinuierlicher Aufzeichnung des EEG’s. Dann wurde ein Ton eingeführt und die Katzen erhielten nur Futter, wenn sie den Hebel betätigen, wenn der Ton nicht zu hören war. Sterman erwartete, dass die Katzen während des Wartens in Schlaf fallen würden. Stattdessen mass er im EEG Spindeln von 12 – 15 Hz, den sogenannten Sensomotorischen Rhythmus (SMR). Daraufhin wurde die Versuchsanordnung geändert und die Katzen erhielten die Belohnung nur noch, wenn sie SMR-Aktivität erzeugten: es liess sich ein EEG-Rhythmus über operantes Konditionieren verstärken! Dieser SMR korreliert dabei mit Bewegungslosigkeit bei gleichzeitiger Aufmerksamkeit, d.h. mit einem Zustand verminderter Erregbarkeit.

Unabhängig von diesen Experimenten erhielt Sterman von der NASA den Auftrag, den Einfluss von Raketentreibstoffdämpfen (Monomethylhydrazine) auf die Astronauten zu untersuchen. Dazu machte er ein Experiment mit Katzen und verwendete dazu – zufällig – die Katzen aus dem SMR-Experiment. Ein Teil der Katzen entwickelte bei Intoxikation keine epileptischen Anfälle. Eine genaue Analyse der Herkunft jedes einzelnen Tieres zeigte, dass die SMR-trainierten Katzen diejenigen waren, die „resistent“ gegen epileptische Anfälle waren. In der Folge konnte dann gezeigt werden, dass auch bei Affen und bei Menschen eine Reduktion der Anfallshäufigkeit durch SMR-Training erreicht werden kann. 

Dass Neurofeedback überhaupt funktioniert, beruht darauf, dass das EEG-Signal Ausdruck der Erregung des sich unter der jeweiligen Elektrode befindlichen Hirnrindenareals ist: bei Erregung findet sich eine negative, bei Hemmung eine positive Spannung:

 
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Gesteuert von tiefen Hirnstrukturen wie Thalamus und Formatio reticularis wechseln Erregung und Hemmung der verschiedenen Hirnareale rhythmisch.

 
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Die einzelnen Rhythmen korrelieren dabei mit verschiedenen mentalen Zuständen:

  • High-Beta (20-30 Hz): Anspannung

  • Low-Beta (15-20 Hz): aufmerksame Wachheit

  • SMR (12-15 Hz): aufmerksame Wachheit bei motorischer Entspannung

  • Alpha (8-12 Hz): unaufmerksame Wachheit bei motorischer Entspannung

  • Theta (4-7 Hz): Schläfrigkeit

  • Delta (1-3 Hz): Schlaf

Neben diesen rhythmischen Wechseln von Erregung und Hemmung der Hirnrinde finden sich langsame Verschiebungen der kortikalen Erregbarkeit, die von wenigen hundert Millisekunden bis zu einigen Sekunden dauern können: die Slow Cortical Potentials (SCPs). Negative SCPs korrelieren dabei mit einer niedrigeren Schwelle für die Erregung des Hirnrindenareals, beobachtbar z.B. bei der kognitiven Vorbereitung einer Handlung: Contingent Negative variation (CNV). Positive SCPs hingegen korrelieren mit einer verminderten kortikalen Erregbarkeit. 

Weiter existieren auch Infra-Slow Fluctuations (ISF) der kortikalen Aktivität, d.h. Oszillationen der kortikalen Erregbarkeit im Bereich von 0.01 Hz und weniger. Diese Oszillationen korrelieren mit denjenigen des BOLD-Signals (blood oxygenation level-dependent) von fMRI-Untersuchungenund werden mit der Aktivität von Intrinsic Connectivity Networks (ICNs) in Verbindung gebracht.

Nachdem im Tierexperiment entdeckt wurde, dass sich durch das Trainieren von EEG-Rhythmen mentale Zustände beeinflussen lassen, wurde in den 1970er Jahren mit dem Frequenzband-Training begonnen. Dabei wird durch operante Konditionierung (Lernen durch Belohnung) die gewünschte EEG-Frequenz verstärkt. Erreicht diese eine gewünschte Amplitude, so erfolgt die Belohnung (Reward) in aller Regel dadurch, dass die Graphik auf dem Bildschirm besser wird oder aber Musik schöner läuft. Fällt die gewünschte EEG-Frequenz unter eine gewisse Amplitude oder aber treten unerwünschte EEG-Aktivitäten auf, so wird die Belohnung entzogen (Inhibit). Lubar beobachtete, dass die Hyperaktivität bei Patienten abnahm, die wegen Epilepsie trainiert wurden. Er entwarf in der Folge neue Trainingsprotokolle für die Behandlung von AD(H)S.

 
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Auch dem klassischen Frequenzbandtraining zuzuordnen ist das Alpha/Theta-Training. Dabei werden die Frequenzen im Bereich von Alpha (8-12) und Theta (4-8) trainiert. Dadurch wird ein hypnagoger Zustand erreicht, d.h. ein Zustand zwischen Wachsein und Schlaf, die Aufmerksamkeit ist mehr nach innen gerichtet, das explizite Denken von einem mehr bildlichen assoziativen Denken abgelöst. Das Training distanziert von äusserer Wahrnehmung und führt hin zu einem ruhigen inneren Fokus und ist mit der Trance in der Hypnose zu vergleichen. Das Training dieses Zustandes hat einen beruhigenden Effekt und wird traditionellerweise zur Behandlung der PTBS (posttraumatische Belastungsstörung) eingesetzt, um in diesem Zustand schmerzhafte Erinnerungen durch günstige Visualisierungen zu bewältigen. Ein anderes wichtiges Anwendungsgebiet ist die Peak-Performance: das Alpha/Theta-Training wird genutzt, um den Zielzustand bzw. die Ziel-Performance zu visualisieren.

Das SCP-Training ist kein klassisches Neurofeedback-Training. Es wird nicht ein Frequenzband während 20-40 Minuten kontinuierlich trainiert, sondern in bis zu 100 Durchgängen à 8 Sekunden geübt, die Erregungsschwelle zu verschieben, indem das Erreichen eines negativen SCPs belohnt wird. Es wird somit eine verbesserte Selbstregulation der Erregbarkeit der Hirnrinde erreicht.

Beim ILF-Neurofeedback (Infra Low Frequencies) wird auch nicht eigentlich ein Frequenzband trainiert. Vielmehr wird belohnt, wenn die Hirnrindenerregbarkeit gleichmässig driftet (ISFs), nicht zu schnell und nicht zu langsam. Die optimale Geschwindigkeit des Drifts («Frequenz») ist dabei individuell und wird aufgrund der klinischen Reaktionen des Patienten ermittelt. Einmal gefunden, wird das Halten dieses Drifts bei verschiedenen Elektrodenpositionen trainiert. Das ILF-Neurofeedback wird auch nach den Entwicklern als Othmer-Verfahren bezeichnet. Neben dem Feedback der ISFs werden gleichzeitig aber auch Elemente des Frequenzbandtrainings beibehalten, nämlich Inhibits bei abrupten Amplitudenänderungen in höheren Frequenzbereichen bis 40 Hz.

Beim Biofeedback werden mit technischen Methoden solche physiologische Grössen der bewussten Sinneswahrnehmung zugänglich gemacht. Die bewusste Wahrnehmung wiederum ermöglicht dann, dass die Beeinflussung z.B. der Herzfrequenz trainiert werden kann. Es geht also darum, bewusst Regelkreise bzw. deren Imbalancen zu modulieren. Den Patienten werden diese Messgrössen dann durch Töne oder Visualisierungen auf einem Bildschirm zurückgemeldet (Feedback!) und damit bewusst gemacht. Aufgrund dieser Rückkopplungen kann dann durch operantes Lernen eine Verbesserung der Regulation des jeweiligen physiologischen Systems erreicht werden. Durch wiederholtes Training kann dann zudem erreicht werden, dass die Einflussnahme auf das vegetative Nervensystem auch ohne technische Unterstützung gelingt und somit z.B. Entspannung in konkreten schwierigen Situationen „abgerufen“ werden kann.

Heute kommen Neuro- und Biofeedbackverfahren bei zahlreichen neurologischen und psychiatrischen Symptomen und Erkrankungen zum Einsatz: Konzentrationsstörungen (ADHS), Schlafstörungen, Migräne, Emotionsregulationsstörung oder auch Panikstörungen.

Literatur

Dies ist eine Zusammenstellung wichtiger wissenschaftlicher Artikel:

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  • Haus, KM: Praxisbuch Biofeedback und Neurofeedback. 2. Auflage. Springer, Berlin Heidelberg 2016. 

  • Winfried Rief, Niels Birbaumer (Hrsg.): Biofeedback. Grundlagen, Indikationen, Kommunikation, Vorgehen. 3., vollst. überarb. und erw. Auflage. Schattauer, Stuttgart 2011.

  • Evers, S., May, A., Fritsche, G., Kropp, P., Lampl, C., Limmroth, V., ... & Diener, H. C. (2008). Leitlinie der Deutschen Migräne- und Kopfschmerz-gesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. Nervenheilkunde, 27, 933-949.

  • Marianna Munafò, Elisabetta Patron, Daniela Palomba: Improving Managers’ Psychophysical Well-Being: Effectiveness of Respiratory Sinus Arrhythmia Biofeedback. In: Applied Psychophysiology and Biofeedback. Band 41, Nr. 2, 1. Juni 2016, S. 129–139

  • Sergio Jiménez Morgan, José Arturo Molina Mora: Effect of Heart Rate Variability Biofeedback on Sport Performance, a Systematic Review. In: Applied Psychophysiology and Biofeedback. Band 42, Nr. 3, 1. September 2017.

  • Robert Sielski, Winfried Rief, Julia Anna Glombiewski: Efficacy of Biofeedback in Chronic back Pain: a Meta-Analysis. In: International Journal of Behavioral Medicine. Band 24, Nr. 1, 1. Februar 2017.